Wenn im Sarg das Handy klingelt - Kommunikation bis zum Umfallen?!

Aus der Idsteiner Zeitung vom 02.Oktober 2013 von Marion Diefenbach Man könne auf dem weiten Feld der Kommunikation nur einen kleinen Acker bearbeiten, kündigt Christina Ketzer – mit ausdrücklichem Stolz auf die gefundene Allegorie an, bevor Carola von Klass anschließend pseudo-wissenschaftlich die Funktionen von Sprache erläutert. Die eingeschobenen witzig-zickigen Wortwechsel der beiden Frauen des Kabaretts „Allerhand“ lassen schnell erkennen, was der Abend unter dem Titel „Wenn im Sarg das Handy klingelt – Kommunikation bis zum Umfallen?!“ bringen wird: Amüsantes auf hohem sprachlichen Niveau und in darstellerischer Perfektion.

Das Duo „Allerhand“

Viele Sketche

In vielen kurzen Sketchen und Soli ziehen die beiden dynamischen Damen in schwarzem Basis-Outfit, das sie mit passenden bunten Accessoires und zahlreichen Perücken zu scheinbar völlig anderen Figuren werden lässt, viele kleine und große Schwächen und Tücken der täglichen Kommunikation durch den Kakao: So etwa das „Kasperletheater“ der Politik, die sich mit berühmten Zitaten großer Staatsmänner an der Nase gefasst sieht, mit „Übersetzungen“ von Politikerdeutsch, die das Geschwafel unserer „Hinterbänkler aus dem Bundestag“ entlarven oder den sonnenbebrillten NSA-Agenten in Trenchcoats und Hüten, die zur analogen Kommunikation zurückkehren und fieberhaft Parolen zur Mikrofilmübergabe ausarbeiten…

Die tempo- und abwechslungsreichen Themen- und Perückenwechsel vor allem bei von Klass, deren Kopf für nahezu jede Haartracht geeignet scheint, werden ergänzt durch sprachliche Spitzfindigkeiten („jemandem die Stange halten ist keine sexuelle Handlung“), und geschickt eingestreute und perfekt beherrschte Dialekte und Fremdsprachenakzente: So doziert Ketzer etwa als US-Professorin in Irkutsk mit amerikanischem Slang, während sie als Berliner Touristin in einem österreichischen Café die ohne Punkt und Komma „Schmäh“ verbreitende von Klass so wenig versteht, dass sie schließlich zu McDoodle wechselt.

Letztere mokiert sich in absolut glaubwürdigem Sächsisch über die „Böbbelscher, die aussehn wie kastrierte Noteschlüssel am Kobb“, die plötzlich die Zeilenenden auf ihrem Laptop zieren, während Ketzer als französische Weinexpertin vom Weingut „Femme Fatale“ vergeblich versucht, ihrer deutschen Kundin das „Degoutieren mit allen Sinnen“ näher zu bringen. Und in dem unglaublich witzigen Dialog zwei alter Hessinnen über „den annern“, der „de Scherm zugeklappt hat, un des bei dem Wetter…“ fließt Hessisch wasserfallähnlich von der Bühne.

Nachdenkliches über den Tod

Immer wieder spielt natürlich das Handy eine Rolle, das persönliche zwischenmenschliche Kommunikation stört beziehungsweise verhindert, aber auch Nachdenkliches wie etwa die Anspielungen auf den Tod, der „wohl ein Imageproblem hat“, sind zu hören: Was die beiden auch anfassen, es bleibt heiter und — heute nicht mehr selbstverständlich — immer über der Gürtellinie.

So etwa der brüllend komische und anrührend-naive Vortrag „Ich wär so gern erotisch“, in dem Ketzer die Details eines entsprechenden Seminars präsentiert (vielversprechend glucksen, die Bausteine des Orgasmus – a, o, u – verwenden, Rock in schwindelnde Höhen katapultieren) und auf weiteren Schulungsbedarf schließt. Auch wenn von Klass als alternde Bordsteinschwalbe am Handy von Peinlichkeiten wie einen Wadenkrampf beim Kunden oder die neuen Stützstrümpfe mit Netzmuster berichtet, kann das überwiegend weibliche Publikum seine Erheiterung kaum bremsen.





Alle Meldungen